Harte Angriffsschläge, spektakuläre Rettungsaktionen in der Abwehr und kein Ende des Ballwechsels in Sicht: Während Zuschauer und Trainer es vor Spannung kaum noch aushalten, fliegen bei Till Müller die Finger in Höchstgeschwindigkeit über die Tastatur. Dabei muss er den Spielzügen mit voller Aufmerksamkeit folgen. Nicht nur für Stefanie Karg und ihre Mitspielerinnen ist höchste Konzentration auf dem Spielfeld gefragt, sondern auch für den Scout hinter dem Laptop. Er sorgt dafür, dass jede einzelne Aktion von Heimteam und Gegner statistisch erfasst werden. Das gibt wiederum wichtige Aufschlüsse über Annahmequoten, Aufschlagpunkte-und Fehler und vieles mehr.
Zur technischen Ausstattung gehören zwei Kameras, zwei Stative, zwei Laptops und ein Tablet-PC sowie zwei Funkgeräte. Mithilfe dieser professionellen Ausstattung wird am Rande des eigentlichen Spielgeschehens eine wahre Wissenschaft betrieben. So kann sich Trainer Alexander Waibl auf seinem Tablet-PC sogar zeitverzögert die letzten Spielzüge ansehen und wichtige Korrekturen vornehmen. Über Funk teilt Till Co-Trainer Uli Rath Erkenntnisse mit, die er hinter dem Spielfeld besser erkennt, als die Beteiligten auf der Bank oder am Spielfeldrand. In einem Spiel über fünf Sätze zehrt das also nicht nur an den Nerven des Teams und der Betreuer, sondern lässt auch Tills Finger glühen und die Augen langsam müde werden. „Ein Spiel am Tag ist in Ordnung, aber wenn es mehrere sind, dann lässt irgendwann die Konzentration nach. Bei einem Vorbereitungsturnier beispielsweise fällt man nur noch todmüde ins Bett, weil die geistige Arbeit am Ende körperlich richtig anstrengend ist“, erklärt der 20-Jährige.
Till ist seit vergangener Saison der feste Scout und hat den Job damals vom jetzigen Bundesstützpunkt-Trainer Janek Matthes übernommen. „Er hat mich irgendwann angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, das zu machen und ob ich zu einem Informations-Abend kommen möchte. Ich habe ja gesagt, mich dann noch einmal beworben und wurde schließlich ausgewählt“, berichtet der Student. Im März 2011 begann Till sich dann regelmäßig mit Janek zu treffen und Einsicht in das Programm, das zum Scouting genutzt wird, zu bekommen. Es trägt den Namen DataVolley. Der Zugangsschlüssel sieht aus wie ein USB-Stick und ist mal eben 3000 Euro Wert. „Den trage ich immer bei mir, damit ich ihn ja nicht verliere“, sagt Till. Im Sommer 2011 musste er dann die „Schulbank“ des Scoutings drücken und lernte unzählige Tastenkombinationen in Verbindung mit den Spielzügen auswendig. Nach der Praxis folgte die Theorie mithilfe von rund 50 Spielen, die Till am Computer scoutete. „Da kann man aber noch vor-und zurückspulen oder Pause drücken. Nicht zu vergleichen, mit einem Spiel in der Halle“, macht er klar.
Das Hotelzimmer teilt sich Till auf Reisen mit Athletik-Coach Mirco Theurer oder Uli Rath. Vor allem in englischen Wochen mit Liga und Champions League sitzt er oft bis spät in die Nacht und analysiert bereits den nächsten Gegner. Ungefähr fünf Videos pro Mannschaft werden für ein Spiel ausgewertet, um Aufschluss über Schlagrichtungen, Block-und Abwehrverhalten sowie die Passverteilung im Zuspiel zu bekommen. Seine Daten bekommt dann Trainer Alexander Waibl, der danach die taktische Marschroute für die Begegnung vorbereitet. Die wird den Spielerinnen dann ein oder zwei Tage vor dem Match in der Videobesprechung präsentiert. Wenn ein Team also schwindelig gespielt oder erfolgreich geblockt wird, dann hat Till zusammen mit dem Trainerteam den Grundstein dafür gelegt, dass die Spielerinnen es auf dem Feld umsetzen können.
Vier bis fünf Stunden verbringt Till so am Tag vor dem Computer. Und das nur für den DSC, denn er studiert an der TU Dresden Wirtschaftswissenschaften und spielt selbst Volleyball bei Motor Mickten. Bevor er zum Bundesliga-Team kam, war Till von 2009 bis 2011 schon Ballroller und Wischer bei den Heimspielen. An einem richtigen „Stresstag“ muss der Scout von 7.30 bis 15 Uhr in der Uni sitzen, schnell nach Hause fahren, etwas essen, ein Spiel analysieren und dann noch selbst zum Training. „Der Aufwand lohnt sich vor allem, wenn ich an die tollen Erlebnisse in der Champions League zurückdenke“, berichtet er. Damit dass auch in der nächsten Saison wieder klappt, arbeiten alle gerade mit Hochdruck an der Vorbereitung der Play-Offs und Till hofft, dass sich seine Studien am Ende auszahlen werden.